Logo von einfach behalten, Kopfprofil mit spiralisierendem Haar

Auswendiglernen – braucht doch heute keiner mehr!?

Jung liest

10.05.2021

Ich höre immer wieder, Auswendiglernen sei nicht mehr zeitgemäß oder man muss doch verstanden haben, was man da lernt. Bis vor wenigen Jahren noch, hatte ich eine ähnliche Meinung. Wohl auch, weil ich selbst für das Abitur und das Studium gebüffelt habe. Ich wusste es damals auch nicht besser.

Wann Auswendiglernen sinnvoll ist

Um das zu beantworten ist es zunächst einmal wichtig zu erfahren, was Wissen überhaupt ist?
Definitionen gibt es je nach Fachrichtung viele, jedoch gehen alle davon aus, dass Wissen auf Daten und Informationen bestehen. Wissen erlangt der Mensch durch Lernen, was grob gesprochen der Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten ist.

Soweit so gut. In den Schulen gibt es Lernthemen, die muss man nicht verstehen. Das sind Fakten, die müssen gelernt werden. Zum Beispiel die Tatsache, dass nach der Präposition wegen der Genitiv folgt, dass die Zugspitze der höchste Berg Deutschlands ist, dass eine Melodie aus diesen und jenen Noten besteht, dass 4×3 zwölf ist, dass Mozart ein Nachname ist und dass der Baum im Englischen tree heißt. Da gibt es nicht viel zu verstehen. Das ist einfach so.

Dieses Faktenwissen ist dann durchaus die Grundlage, um noch mehr Wissen aufzubauen und Zusammenhänge zu verstehen (verstehendes Wissen). Wenn du nicht weißt, dass Mozart ein Name ist, dann ist es schwierig zu verstehen, dass dahinter ein berühmter Komponist steckt. Deshalb kann und will ich Auswendiglernen nicht verteufeln, denn manche Fakten muss man einfach wissen. Wenn du dieses Faktenwissen nicht anwendest, kann es hier und da Schwierigkeiten geben, zum Beispiel beim Abkassieren im Biergarten, wenn du auf ein anderes Ergebnis kommst als der Kellner. Für Schulkinder bedeutet es in erster Linie schlechte Noten.

Wie lernt man auswendig?

Auswendiglernen ist streng genommen eine Methode der puren Wiederholung. Hören oder Lesen und dann selbst wieder aufschreiben oder sagen. Und das viele Mal, bis es ganz automatisch kommt. Das hast du zum Beispiel beim Lernen des 1×1 gemacht: du hast nicht mehr die Gleichung gerechnet, sondern die Ergebnisse einfach gelernt und so oft wiederholt bis das Ergebnis immer wie aus der Pistole geschossen kam.

Heute denkst du vermutlich gar nicht mehr darüber nach. Du hast Gedichte Wort für Wort gelernt und aufgesagt, ebenso Lieder. Kannst du den Osterspaziergang noch? Welche Liedtexte kennst du noch? Es gibt wohl nur sehr wenige Kinder (und auch Erwachsene), die sich gerne freiwillig hinsetzen und stupide diese Fakten vor sich hinsagen, bis diese verinnerlicht worden.

Es geht – klar, nur macht es keinen Spaß und es ist relativ zeitaufwendig. Warum macht man das so? Weil an den Schulen nicht gelehrt wird, wie (Auswendig)Lernen noch besser funktioniert, dabei meist schneller ist und gleichzeitig mehr Spaß macht.

Malerie Nikolaus Gysis Im Studium

Aus Büffeln und Pauken wird Spielen und Fantasieren

Stures Wiederholen spricht nicht unsere Sinne und unsere Gefühle an. Deshalb filtert es das Gehirn schnell raus. Es wird als „unwichtig“ eingestuft.

Das ist anders, wenn wir Bildern sehen. Wir können den Sinn einer visuellen Szene in weniger als einer Zehntelsekunde interpretieren, weil wir visuelle Wesen sind. Fast die Hälfte unserer Gehirnverbindungen ist der visuellen Verarbeitung gewidmet, und 70 Prozent aller sensorischen Rezeptoren sind in unseren Augen konzentriert.


Was bedeutet das für das Lernen?

Mache aus jedem Fakt ein Bild!

Aber das alleine reicht nicht.

Verknüpfe mit diesem Bild Emotionen und Sinneseindrücke!

Du brauchst nur wenige “Einstellungen” um es merk-würdig zu machen! Auf diesem Konzept beruhen die Gedächtnistechniken oder Mnemotechniken. Wir können uns damit sowohl bildhafte als auch abstrakte Begriffe merkbar machen und sogar in Zusammenhang bringen, wenn das nötig ist.

Auch die Gedächtnisweltmeister arbeiten mit diesem Konzept und stellen damit erstaunliche Rekorde auf. Zum Beispiel merken sie sich damit zum Beispiel 616 geschriebene Dezimalziffern in 5 min oder 318 zufällige Wörtern in 15 Minuten in der richtigen Reihenfolge.

Stell es dir vor deinem geistigen Auge vor!

Spüre nach! Riecht es oder schmeckt es vielleicht komisch? Gibt es ungewöhnliche Farben? Bringt es dich zum Grinsen oder gar zum Lachen oder ist es traurig?


“Ich habe keine Fantasie – das ist nichts für mich!”

Als Erinnerungstrainerin höre ich oft das Argument „Ich bin nicht kreativ“ oder „Ich habe aber keine Fantasie“. Das sind sehr pauschale Aussagen, die ich so nicht gelten lasse, bevor diese Personen es nicht probiert haben.

Um Mnemotechniken anzuwenden, muss man sich vor allem erst einmal darauf einlassen wollen und offen sein für ein anderes, gewohntes Denken und Lernen. Das ist nicht immer einfach und dann kein sehr schneller Prozess, weil wir es verlernt haben „verrückt“ zu denken. Wir lassen ungewöhnliches nur schwer zu, weil es nicht unserem Verständnis der Welt entspricht.

Genau da liegt aber der Schlüssel. Das Andersartige, das Neuartige ist für das Gehirn sozusagen das Signal „aufgepassen, hat vielleicht Bedeutung“.

Diese Methoden sind kinderleicht zu erlernen und sie machen auch Spaß: Giraffen die Fahrrad fahren, Tore die sich mit Reißverschlüssen öffnen und schließen ….

Giraffe fährt Fahrrad


Auf diese Art lassen sich Zahlen, Definitionen, Namen und Begriffe aller Art und Vokabeln lernen. Schüler und Schülerinnen hätten sowohl mehr Spaß als auch mehr Erfolg. Und Erfolg bedeutet im Umkehrschluss mehr Lernmotivation.
Macht es denn nicht auch Lehrern mehr Spaß mit motivierten Kindern zu arbeiten?

Ich selbst sehe manches Auswendiglernen von Fakten nicht als Bürde sondern als Grundstein für ein gutes Allgemeinwissen.
Dass nun mal Sachsen-Anhalt ein Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland ist, ist Fakt. Und dass Magdeburg die Landeshauptstadt ist, ist auch Fakt. Dass Magdeburg nicht die größte Stadt Sachsen-Anhalts ist sondern Halle, ist Fakt.

Daran können nun noch mehr Fakten verknüpft werden und vor allem Erfahrungen und Erlebnisse.
Also ich finde ja Halle viel schöner als Magdeburg. Ich habe in beiden Städten Freunde, kenne deren Namen und habe so manches dort erlebt. Ich kenne die Geschichte der Magdeburger Halbkugeln und habe so einen Link zur Physik.
Auf diese Art entsteht ein riesiges Wissensnetz, an das unendlich viele neue Fakten mit Erfahrungen geknüpft werden können.


Ist Auswendiglernen nun noch zeitgemäß?

Auch wenn ich die Kritik an Schulen, dass zu viel auswendig gelernt werden muss und abgefragt wird, verstehe, bin ich doch der Meinung, wir können es nicht komplett unter den Tisch fallen lassen.

Ist es denn nicht eher der Umgang mit Faktenwissen, der kritisiert werden müsste?
Bekommt ein Schüler/eine Schülerin diese Informationen – vorgelegt oder muss er/sie sich das Wissen selbst erarbeiten?
Müssen Fakten immer abgefragt werden?
Wenn das sein muss, muss es immer auf die gleiche Weise sein?
Und muss dieses Wissen immer benotet werden?
Muss es losgelöst, also ohne Zusammenhang abfragt werden?

Hinter diesen Fragen stecken sowohl Lehr- als als auch Lernmethoden, die meiner Meinung nach wenig bis gar nicht in Schulen stattfinden. Solche Methoden sind es allerdings, bei denen Schüler*innen lernen zu lernen und sich auch außerhalb und nach der Schulzeit effektiv Wissen anzueignen.

Das Schulsystem wird sich nicht so schnell verändern, wie die meisten Eltern sich das wünschen. Bleibt also entweder den Kopf in den Sand zu stecken oder einen Weg zu finden, damit das Unangenehme angenehmer wird.

Mein Ansatz: zeigt den Kindern, wie man mit Spaß und Fantasie Wissen visualisiert und es sich damit besser merkt. Lernen ist ein Kinderspiel.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Was dir noch gefallen könnte …

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner