Ich sitze gerade im Zug und versuche einen Blogartikel zu schreiben. Gar nicht so einfach, wenn so viel um mich herum passiert!
Am Nachbartisch wird gerade das kleine Picknick herausgeholt und gegessen. Was da wohl so dabei ist?
Weiter vorn unterhalten sich zwei junge Frauen. Vermutlich Studentinnen. Klingt als wollen sie zusammen in eine WG ziehen. Das erinnert mich an meine Studienzeit und ich schweife mit den Gedanken etwas ab.
Nun kommt der Zugbegleiter und will die Fahrscheine sehen. Gut, bis der bei mir ist, kann ich vielleicht schon ein paar Zeilen schreiben. Hm, will er eigentlich auch den Corona-Pass sehen? Ich suche das Ticket in meinem Telefon und aktiviere auch noch die App mit dem Corona-Pass. Dabei fällt mir auf, dass der Akku bald alle ist. Ich sollte mal das Ladekabel raussuchen.
Mein Hintermann telefoniert. Klingt wie ein Arbeitsgespräch. Es geht um Deadlines und wer was macht. Was das wohl für eine Arbeit ist? So wie er gekleidet ist …
Mein Telefon summt: meine Freundin wünscht mir viel Spaß und eine gute Reise. Ich freue mich darüber und hoffe tatsächlich, dass es eine gute Reise wird. Die Umsteigezeit ist nämlich knapp und es wäre sehr ärgerlich, wenn ich meine Anschlusszüge nicht erwischte. Was mache ich denn dann?
Ich verwerfe den Gedanken, denn es ist ja noch nicht so weit. Das ist meine Devise: Erst darüber den Kopf zerbrechen, wenn es nötig wird.
Ich schreibe den ersten Satz und dann höre ich es schon: „Kaffee, wünschen Sie frischen Kaffee?“
Kaffee? Ob ich Kaffee will. Freundlich lächelnd sage ich „Nein, Danke“.
Nun ist eine halbe Stunde vergangen und ich habe noch keinen sinnvollen Satz geschrieben. Ärgerlich, denn ich wollte doch die Zeit nutzen, zu schreiben!
Mir fehlt die Konzentration. Also sage ich zu mir selbst:
„Konzentrier dich einfach mal!“
Wenn das mal so einfach wäre.
Wir sind zwar grundsätzlich in der Lage, unsere komplette Aufmerksamkeit auf eine Sache zu richten, sei es auf eine Aufgabe, eine Person oder ein Gefühl, gleichzeitig hängt es von vielen Bedingungen ab, ob es uns gelingt:
- von der Aufgabe an sich: interessiert es mich oder muss ich sie machen?
- von meiner Stimmung: wie fühle ich mich, was bewegt mich gerade?
- von meinen Fähigkeiten: fällt mir die Aufgabe leicht oder habe ich Schwierigkeiten, die Aufgabe zu erledigen?
- von meiner Umgebung: was passiert um mich herum? Was lenkt mich ab?
Untersuchungen zeigen, dass wir alle 40 Sekunden abgelenkt sind, wenn wir vor einem mit dem Internet verbundenen Computer arbeiten. Das ist sicherlich auch auf andere Aufgaben übertragbar. Auch unsere Gedanken schweifen schnell ab: alle 14 Sekunden kommt uns ein neuer Gedanke, häufig angeschubst von inneren und/oder äußeren Reizen.
Das bedeutet im Umkehrschluss also, dass wir, während wir uns einer Aufgabe widmen, gleichzeitig nur wenige Sekunden vom nächsten Gedanken auf eine andere Aktivität entfernt sind.
Warum ist Konzentration so wichtig?
Nun zum einen, weil wir erst durch sie neue Informationen, wie zum Beispiel beim Lernen verarbeiten und in Zusammenhang bringen können. Aber auch, um unsere Aufgaben „richtig“ zu machen. Das ist vor allem dann von Bedeutung, wenn es um Aufgaben geht, die unser Leben oder das anderer sichern. Wenn sich zum Beispiel der Chirurg nicht konzentriert, könnte das fatale Folgen haben.
Wie schaffe ich es nun, mich zu konzentrieren?
Was also tun, um in diesen „Tunnel“ zu gelangen, der dich vor den Ablenkungen schützt?
Für meine weitere Zugfahrt habe ich mir Kopfhörer (ohne Musik) aufgesetzt, die die Geräusche um mich herum ausgeblendet haben und ich habe mir Zeitfenster festgelegt, die zu den kommenden Zugstopps passten.
Allgemein schlage ich dir folgendes vor, um den Fokus zu finden:
- “Lade deinen “Akku” auf, d.h. satt, hydriert, ausgeschlafen
- „Bitte nicht stören“: Schalte so viele äußere Ablenkungsquellen aus, z.B. Telefon auf Flugmodus oder gleich in ein anderes Zimmer
- Stelle deine Arbeitsbedingungen auf “optimal”, d.h. finde u.a. die richtige Wärme, die richtige Lichteinstellung und das richtige Level an Geräuschen
- Arbeite deine Bedürfnisse vorher ab: Wenn du Lust auf (laute) Musik hast, dann tu das bevor du mit einer Aufgabe anfängst. Das gleiche gilt für körperliche Bewegung oder der Gang zur Toilette usw.
- entscheide dich für eine (die wichtigste) Aufgabe und gib ihr für einen festgelegten Zeitraum Priorität. Das geht übrigens super mit der Pomodoro-Technik.
- Finde heraus, zu welcher Tageszeit es dir leicht fällt, in diesen Tunnel der Aufmerksamkeit zu gelangen. Je nach Aufgabe kann das zu unterschiedlichen Zeiten sein. Jeder hat da so individuelle Zeitfenster. Generell konnten wissenschaftliche Studien zeigen, dass die kognitiven Fähigkeiten der meisten Menschen zwischen 8 und 14 Uhr am höchsten sind.
- manchmal ist es auch fehlende Motivation, die uns abhält, Aufgaben umzusetzen. Eigentlich ein Thema für sich. Hier nur der kurze Tipp, sich zu überlegen, was der kleinste Schritt, die kleinste Aufgabe sein kann, um anzufangen und ins Tun zu kommen. Zum Beispiel das Buch zu holen, das man braucht, die Datei zu öffnen usw. – von da kommt der nächste Schritt, der auch wieder nur ein kleiner sein muss, z.B. das Inhaltsverzeichnis durchstöbern oder die Struktur des Dokuments zu erfassen. usw. usf.
- Wenn es darum geht, dich auf ein Thema einzustimmen und dadurch die Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, empfehle ich dir, eine A-Z-Liste zu beginnen. Diese kannst du dann nutzen, um eine Mindmap zu erstellen, die deine Gedanken sortiert und damit auf bestimmte Inhalte lenkt. Gleichzeitig hilft dir die Mindmaps Wissenslücken aufzudecken, an denen du dann noch arbeiten kannst.
Während der Zugfahrt kamen noch viele Ablenkungen: Ansagen, ein- und aussteigende Fahrgäste, Toilettengänge, summende Telefone, knisterndes Papier, fremde Sprachen, zählende Zugbegleiter, vorbeifahrende Züge, Passkontrolle …
Dennoch habe ich es geschafft, diesen Artikel zu schreiben. Eine Pause ist nun dringend angeraten bevor mein innerer Akku komplett leer ist.
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