Logo von einfach behalten, Kopfprofil mit spiralisierendem Haar

Vergessen – Ich glaube, ich werde alt

das Leben bekommt Risse

13.05.2023

“Du gibst Gedächtnistrainings? Das könnte ich auch mal gebrauchen, ich vergesse immer so vieles. Ich merke mir nichts mehr”. Sobald ich erzähle, dass ich Menschen zeigen kann, wie sie sich Dinge besser merken können, kommt diese Aussage.
 

Viele Menschen stellen fest, dass ihr Gedächtnis nicht mehr so gut funktioniert wie früher. Sie vergessen alltägliche Dinge, wie Namen, Termine oder wo sie den Schlüssel hingelegt haben. Schnell schieben sie es aufs Alter. Aber sind es tatsächlich Alterserscheinungen oder was steckt hinter dieser Vergesslichkeit?

Vergiss es! oder Warum Vergessen ok ist

Vergesslichkeit ist ein normaler Prozess. Unser Gehirn besteht zwar aus mehr als 80 Milliarden Nervenzellen, die mit ihren rund 15 Trillionen Synapsen eine gigantische Speicherkapazität ermöglichen, dennoch speichert es nicht alles oder es verändert die Speicherung bzw. den Zugang zum Speicherort.

Das Gehirn muss vergessen bzw. speichert gar nicht erst: In jeder Sekunde verarbeitet unser  Gehirn eine Flut an Reizen (die Zahlen dazu sind in der Literatur vielfältig), sortiert, bewertet und ordnet sie ein. Nicht alle Signale werden (langfristig) gespeichert, denn wäre das der Fall, wären wir bald nicht mehr handlungsfähig.

aufräumen und sortieren

 

Das Gehirn muss effizient arbeiten und Platz für neue Informationen schaffen, um neuronal plastisch zu bleiben, also weiter lernen zu können. Das macht es genau wie wir daheim durch regelmäßiges Aufräumen: Was nicht mehr gebraucht wird, wird aussortiert oder gar weggeworfen. Im Gehirn bedeutet das, dass Synapsen gestärkt oder zu gestutzt bzw. gelöscht werden. Wir vergessen also, entweder teilweise oder ganz. Dieser Vorgang erfolgt nachts, wenn die Sinneseindrücke reduziert sind.

 
Warum sollte es auch wichtig sein, sich an jedes Autokennzeichen zu erinnern, das vor uns gefahren ist, ob der Kollege vorgestern einen blauen oder einen grauen Anzug anhatte oder was wir vor einem Monat eingekauft haben?

Wir merken Vergesslichkeit aber vor allem dann, wenn uns Erinnerungen fehlen, wenn also Dinge, die wir uns bewusst merken können, nicht mehr abrufbar sind, zum Beispiel im Alltag oder beim Faktenlernen.

Viele sehen eine Verbindung zum Alter, aber ist das wirklich so?

Ich werde alt, also bin ich vergesslich

Nicht nur unser Körper sondern auch unser Gehirn unterliegt dem Alterungsprozess. Wenn du dir vorstellst, dass das Gehirn im Alter einfach nur verfällt, dann ist das nicht ganz richtig.
Es kommt zum Schrumpfen von Gehirnregionen. Dazu gehört der Hippocampus, die Region, in der sich Gedächtnisinhalte und auch Informationen zum räumlichen Denken finden. Dementsprechend fällt uns das Lernen schwerer bzw. haben ältere Menschen Probleme mit der räumlichen Orientierung.

Auch der präfrontale Kortex büßt an Nervenzellen ein. Das merken wir daran, dass uns das Kurzzeitgedächtnis immer mal wieder im Stich lässt.

Allerdings scheint es, als fänden sich viele Menschen zu schnell damit ab, dass sie alt und damit vergesslich werden. Das kann zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Wie oft habe ich schon gehört “Das kann ich mir nicht merken” oder “Dazu bin ich zu alt.”

Es mag sein, dass das Lernen im Alter länger dauert, die Lernfähigkeit bleibt jedoch erhalten.

Wenn ältere Menschen lernen, profitieren sie oft von Erfahrungen und Vorwissen, in das neue Informationen leichter eingeordnet werden können.

Lernen ist egal in welchem Alter folglich eher eine Frage der Motivation als der Fähigkeit.

Suche unter der Couch

Vergessen im Alltag

Ich erlebe Menschen, die vergessen, wo sie ihren Schlüssel oder ihr Telefon hingelegt haben oder einen Termin verpasst haben. Sie ärgern sich auch darüber, wissen aber nicht, wie sie das Problem beheben.

Das Alter spielt hier vielleicht eine Rolle, weil, wie schon erwähnt, das Altern hauptsächlich das Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis beeinflusst. Hier muss man sich fragen, was hält mich davon ab, mir zu merken, wo ich etwas abgelegt habe oder wann ich jemanden treffen wollte?

Es prasseln ständig Informationen von außen auf uns ein. Viele von uns sind quasi permanent “on”. Dadurch sind wir nicht achtsam, sind in Gedanken oder beschäftigen uns mit “was passieren könnte”.

Manche Menschen geben sich aber auch keine Mühe sich etwas zu merken. Möglicherweise haben sie andere um sich, die das Merken übernehmen: “Schatz, wo ist denn mein roter Pullover?” “Mama, ich weiß nicht, wo ich mein Lineal hingelegt habe.”

Wenn das Vergessen im Alltag also nicht krankheits – oder bequemlichkeitsbedingt ist, ist es eine Frage der Motivation: Will ich mir das wirklich merken? Ist es wichtig, dass ich es mir merke? Warum ist es wichtig? Erst dann solltest du dir Frage “Wie merke ich mir das jetzt am besten?” stellen.

Dann spielt deine Achtsamkeit eine entscheidende Rolle. Sei im Hier und Jetzt.
Wenn du dir merken willst, wo du deinen Schlüssel hingelegt hast, solltest du darauf achten, wie dieser Ort aussieht oder sich anhört oder anfühlt. Wenn du den Schlüssel ablegst, gibt es da ein bestimmtes Geräusch? Wie klingt das?

Du kannst die Aufmerksamkeit auch direkt auf den Gegenstand lenken indem du sagst, was du tust: Ich lege den Schlüssel jetzt hier auf den Tisch in der Küche, neben die Obstschale. Sieh es dir dabei auch genau an.
Wenn du das Bild erfasst hast, kannst du es auch noch in Anlehnung an die Gedächtnistechniken “merk-würdig” machen, indem du es ungewöhnlich machst.

Vergessen von Lerninhalten

Wir vergessen, wenn der Zusammenhang fehlt

Wer eine Sprache lernt kennt es vermutlich: Vokabel und ihre Übersetzung zwei oder drei Mal aufgesagt, wir glauben es uns gemerkt zu haben, aber innerhalb weniger Minuten ist sie uns entfallen. Das ist nicht hirngerecht, denn es passt nicht in die Arbeitsweise unseres Gehirns. Es arbeitet assoziativ, das heißt, neue Informationen werden mit bekannten Informationen verknüpft. Eine Erinnerung setzt sich gewissermaßen aus vielen kleinen Teilen zusammen. Das sind oft Sinneseindrücke und Emotionen.

Durch diese wechselseitig bedingte Verknüpfung kann das Gehirn beim Abrufen der Information selbst dann dem richtigen Ergebnis näher kommen, wenn nur ein Bruchteil der Informationen wieder abgerufen wird.

Deshalb ist es wichtig, mit vielen Sinnen und Assoziationen zu lernen, um dem Gedächtnis gewissermaßen auf die Sprünge zu helfen. Das kann in Form von Eselsbrücken (dazu gehören auch Mnemotechniken) oder praktischen Erfahrungen erfolgen.

Wiederholen verhindert das Vergessen

Egal, wie wir uns etwas gemerkt haben: Unser Gehirn wird Information löschen, wenn sie ein-malig sind und keine Relevanz haben, also auch nicht mit vorhandenem Wissen assoziiert sind. Wäre auch doof, immer wieder das gleich einzukaufen. Einziger Ausweg: Wiederholen. 

Durch Wiederholung helfen wir dem Gehirn zu erkennen, was wichtig ist und erinnert werden muss.

Durch Wiederholung entstehen in unserem Gehirn neuronale Pfade, auf denen die Gedanken wandern. Aufgrund des Aufbaus und der Funktionsweise des Gehirns mit seinen Axonen, Dendriten und Synapsen gilt: Je öfter wir etwas wiederholen, desto tiefer ist der Pfad und desto stärker ist die Erinnerung.

Wiederholung kann auf verschiedene Arten erfolgen und dabei andere Sinneskanäle bedienen und ansprechen als es beim ursprünglichen Lernen:

  • Sprich darüber. Sag es auf oder noch besser: Erzähl es jemanden.
  • Lass dich abfragen oder erstelle ein Quiz zum Thema, das du mit anderen teilst oder gar moderierst. Du kannst das Quiz auch später für deine eigene Wiederholung wiederverwenden.
  • Erklär das Thema anderen, gerne auch denen, die noch nichts darüber wissen. Lass sie Fragen stellen.
  • Wende das Gelernte in der Praxis an.

Du siehst, es muss nicht langweiliges Abfragen sein. Ich frage meine Kinder häufig so nebenbei, was sie heute gelernt haben (und das bezieht sich nicht ausschließlich auf die Schule und nicht ausschließlich auf Wissenszuwachs). Dadurch entsteht häufig ein reflektierendes Gespräch, das gleichzeitig die Synapsen erneuet “feuern” lässt”.
Diese Frage kannst du dir also auch selbst jeden Tag stellen. 

Was habe ich heute gelernt?

Dein Warum gegen das Vergessen

Vergesslichkeit ist ein normaler und notwendiger Teil des Lebens. Nimm Vergesslichkeit also erst einmal an und sei nicht zu streng mit dir selbst, wenn du gelegentlich Gedächtnislücken hast.

Wenn du dir etwas merken möchtest, überlege dir das Warum und arbeite dann daran, wie dir das gelingen kann.

Viele erwarten von mir als Gedächtnistrainerin besondere Leistungen: schnell gemerkt, immer parat usw. Ich benutze die Merktechniken, aber nicht in jedem Zusammenhang. Und ich vergesse auch Dinge. Entweder weil ich nicht aufmerksam bin, weil es mir egal ist, weil ich nicht auf eine Art gelernt habe, die es mir leicht macht, mich daran zu erinnern oder weil ich nicht wiederholt habe. Die Konsequenzen für meine Vergesslichkeit trage ich selbst.

Mein Warum ist ganz unterschiedlich. Manchmal möchte ich einfach Wissen parat haben, denn es steigert mein Selbstbewusstsein, wenn ich sicher in einer Antwort bin. Manchmal geht es mir einfach darum, mein Gedächtnis zu benutzen und denkflexibel zu bleiben. Ich versuche offen für neue Sachen zu sein, neue Dinge auszuprobieren und zu lernen. Für Reihenfolgen, Zahlen oder reine fakten benutze ich die Merktechniken. Das verbessert mein Erinnerungsvermögen, ich trainiere die Technik wodurch ich auch schneller und besser werde und ich habe gleichzeitig viel Spaß dabei. Eine ziemlich gute Kombination, findest du nicht?

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Was dir noch gefallen könnte …

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner